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Ist Integrität messbar? Praxis-Erfahrungen zur Planung und Evaluation von Compliance-Kommunikation

„So geht das nicht“, stellte Stephan Grüninger 2016 ebenso entschieden wie plakativ fest zur „Compliance 1.0“, verbunden mit der Forderung nach einem „Integrity Management“. Allzu deutlich hatten die Ereignisse der letzten Jahre das Versagen der bestehenden Compliance-Systeme aufgezeigt. Allen voran die von der Volkswagen AG zunächst so genannte „Dieselthematik“; im Übrigen selbst eine Begriffsbildung, die aus Sicht der Verantwortlichen wohl rechtlich opportun und damit compliant war, in der internen wie externen Öffentlichkeit aber nicht als integer wahrgenommen wurde. Der provokanten Frage, warum die Compliance-Systeme nicht funktionierten, schließt sich gleich eine zweite an: Wie und woran wird eigentlich gemessen, ob Compliance- Systeme und das Integrity Management erfolgreich sind? Die einfachste Antwort darauf – wenn alles dauerhaft mit rechten Dingen zugeht – kann natürlich nicht zufrieden stellen. Es gilt, durch geeignete Maßnahmen zur Evaluation vor dem Regelverstoß und kontinuierlich festzustellen, ob im Unternehmen ein hinreichendes Problembewusstsein besteht, ob die geltenden Regeln und Werte des Unternehmens hinreichend bekannt und verstanden sind, ob jeder weiß, wie bei Zweifels- und Konfliktfällen vorzugehen ist und ob dies alles im Arbeitsalltag auch gelebt und befolgt wird. Die Skandale der letzten Jahre haben eindrücklich gezeigt, dass die bisherigen Kennzahlen kein verlässliches Bild der tatsächlichen Compliance-Kultur geliefert haben. Denn auch bei krisengeschüttelten Unternehmen lesen sich die Compliance-Bilanzen der jeweiligen Vorkrisenjahre meist als Erfolgsstory. Auf dem Papier schien alles mit rechten Dingen zuzugehen. Allerdings wurden oft nur Äußerlichkeiten gezählt 3 : die beeindruckende Teilnehmerzahl bei Präsenzschulungen, e-Learning-Seminaren und e-Quiz-Events, die schiere Menge der ausgestellten Zertifikate, die Frequenz von Veranstaltungen, Handreichungen und Broschüren, die Ressourcen der entsprechenden Abteilungen. Andere Daten sind hingegen schwer zu bewerten: Spricht der Anstieg der gemeldeten Compliance-Fälle über Whistleblower-Systeme und Speakup-Hotlines nun eher für eine Verbesserung der Compliance-Kultur oder eher für zunehmende kriminelle Tendenzen im Unternehmen? Oder schlicht für ein grassierendes Denunziantentum? Die geforderte Erweiterung des Compliance-Begriffs zu einem Integrity Management verschärft die Probleme der Messbarkeit noch einmal, weil sie das Feld der (noch definierbaren) Regel- und Gesetzestreue radikal in die Sphäre der Unternehmenskultur und damit der weichen Faktoren öffnet. Meint doch Integrität im Unternehmenskontext, wie das Forum Compliance & Integrity feststellt, 4 „dass sich ein Unternehmen bewusst zu moralischem Handeln bekennt, sich eigene Werte und Prinzipien setzt, die der eigenen Unternehmensidentität entsprechen und schließlich konsistent nach diesen Werten und Prinzipien handelt.“ Das klingt umfassend, grundsätzlich und schwer operationalisierbar. Wie lässt sich das managen, monitoren, messen?

Seiten 799 - 814

Dokument Ist Integrität messbar? Praxis-Erfahrungen zur Planung und Evaluation von Compliance-Kommunikation