Inhalt der aktuellen Ausgabe 04/2022
Inhalt
Aufsätze
Der Aufsatz beschreibt die Verwendung metaleptischer Erzählstrukturen in Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“, Dorothea Schlegels „Florentin“ und Friedrich Schlegels „Lucinde“. Die frühromantischen Romane greifen eine in Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ latente metaleptische Erzählstruktur auf, die in Wilhelms Lektüre seiner eigenen Lebensgeschichte am Ende des Romans ihren Ausdruck findet. Die Erzählexperimente der frühromantischen Romane resultieren in temporal reflexiven internen Metalepsen, die von externen Metalepsen, wie sie bei Jean Paul und Clemens Brentano Verwendung finden, abgegrenzt werden können.
Der Beitrag analysiert die Ordnungsfunktion von Nation und katholischer Konfession in Friedrich Schlegels Vorlesungen zur „Geschichte der alten und neuen Literatur“ (1812): Wie konzipiert Schlegel das Subjekt seiner Literaturhistoriographie? Ausgangspunkt ist die Unvereinbarkeit beider Ordnungsprinzipien – dem sich universalistisch beschreibenden Katholizismus und der notwendig partikularen Nation –, die in der Forschung bisher nicht berücksichtigt wurde. Anhand von Schlegels Wertung der antiken Literatur, des französischen Klassizismus und des Verhältnisses von Nationalliteratur und ‚Geist‘ zeigt der Artikel, dass die Vorlesungen – schon vor der Bearbeitung von 1822 – eine Subordination des ‚nationalliterarischen‘ Blickwinkels unter den katholischen Universalismus vornehmen.
Der Beitrag untersucht anhand von „Dr. Katzenbergers Badereise“ Jean Pauls strategische Allianz aus dem wirkungsästhetischen Paradigma des Komischen und der Perspektive eines exzentrischen Mediziners. Es zeigt sich, dass dieses Doppel eine heterodoxe Ästhetik zu begründen vermag, die den Ekel und das Monströse, das aus den hegemonialen ästhetischen und biopolitischen Diskursen der ‚Sattelzeit‘ um 1800 Ausgeschlossene, in einer affirmativen Art und Weise in die literarische Darstellung integriert.
Der Beitrag erkundet eine spezifische Metareflexivität, die mit realistischen Sand- und Dünenmetaphoriken verbunden ist. Vorstellungskomplexe des Sandes und der Düne, die in Fanny Lewalds „Dünengeschichten“ und Friedrich Spielhagens „Auf der Düne“ exemplarisch zutage treten, nähren Reflexionen über Formbildung und Grenzziehung, wobei poetologische und zeitdiagnostische Erzählebenen verfließen. Sand und Düne werden so lesbar als Schlüsselsemantiken des realistischen Erzählsystems, dessen immanente Formlogik in ihnen Konkretion erhält.
Der Aufsatz analysiert die Strategien, mit denen Roths „Radetzkymarsch“ Inszenierung und Demontage von Österreich-Imago, Habsburg-Mythos, Helden-Kult und Kaiser-Aura betreibt. Auf die im Roman dialektisch gebrochene Helden-Memoria fixiert sich der Ahnenkult der Nachfahren mit ambivalenten Folgen: Denn der Heroen-Mythos bietet zwar Halt und Orientierung, beeinträchtigt aber zugleich die eigene Identitätsbildung. Insofern verschränkt Roths Roman die moderne Identitätskrise mit dem Epigonen-Syndrom – auch durch intertextuelle Bezüge zu Grillparzers Novelle „Der arme Spielmann“ und Stifters „Nachkommenschaften“, die dieser Aufsatz erstmals nachweist.
Buchbesprechungen
Im April 2019 fand in Erinnerung an Heiner Müllers 90. Geburtstag an der Leibniz Universität Hannover ein Symposium zu dem Thema KüstenLANDSCHAFTEN. Grenzen und Selektion – Unterbrechung und Störung statt. Angestrebt wurde von den Initiatoren der Veranstaltung, Till Nitschmann und Florian Vaßen, „eine enge Zusammenarbeit von Universität und Theater, Wissenschaft und Kunst“, die auch in dem nun vorliegenden Sammelband dokumentiert ist.
In ihrem klug kuratierten Sammelband präsentieren Dennis Borghardt, Sarah Maaß und Alexandra Pontzen das Erkenntnispotenzial einer praxissensiblen sowie theoriefundierten Literaturpreisforschung. Dabei liegt der inhaltliche Schwerpunkt rein quantitativ nicht auf der Theorie, sondern auf der Praxis. Trotzdem entsteht durch den systematisch vorangestellten Theorieteil der Eindruck, dass ohne ein belastbares Methodengerüst die Literaturpreislandschaft ein unsicheres Gelände sein muss.
This is a hard book to read continuously. Florian Vaßen has been an important voice writing about Brecht for several decades, and here he collects, lightly edited, some fifty of his most important essays and reflections across a wide range of Brecht and the Brechtian, from substantial twenty-page articles to short lexicon entries. Notwithstanding the acuity and integrity of Vaßen’s insights and the elegance of his writing, the volume does not cohere as a monograph, as Vaßen acknowledges at the end of his long introduction.
Beim Medium des Frontispiz, das die wichtigsten im Text entfalteten Überlegungen anschaulich und in nuce darstellt, indem es gleichsam in einem Augenblick festzuhalten verspricht, was der Text erst nach und nach entfaltet, handelt es sich um eine heute leider kaum bis gar nicht mehr praktizierte Form. Mit Blick auf Lena Kuglers Buch „Die Zeit der Tiere“ erfüllt der kongeniale Umschlag jedoch eine dem Frontispiz ganz ähnliche Funktion.
Ulrich Breuer’s “Ungeschickt”, at least on the surface, is about a particular aspect of national character. In other words: a cultural stereotype. The historical reconstruction of tropes of nationality, often considered dubious generalizations, makes “Ungeschickt” challenging but also fascinating to read – and to review from a U.S. academic and non-native German perspective. Like all aspects of identity and national culture, especially those perceived as negative traits, the prejudice of Germans as clumsy or awkward must be borderline taboo.
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