Inhalt der aktuellen Ausgabe 01/2023
Inhalt
Aufsätze
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wird in Norditalien eine jiddische Erzählung niedergeschrieben, die auf dem gleichen Erzählmuster beruht wie mehrere nur wenig jüngere deutschsprachige Texte (‚Rettung eines gefährdeten Mannes durch seine als Mann verkleidete Ehefrau‘). Ein Vergleich zeigt, dass der Autor der jiddischen Geschichte zwei unterschiedliche nichtjüdische Konkretisierungen des Musters kannte und sie so miteinander kombinierte, dass daraus eine eigenwillige Erzählung nicht über Konflikte zwischen Männern und Frauen entstand, sondern über das Selbstbewusstsein von Angehörigen einer religiös und ständisch deprivilegierten Gruppe und ihren unbedingten Willen, ihre Lebensumstände auf Kosten der Reichen und Mächtigen zu verbessern.
Ausgehend von einer in den Mirakeln des „Passionals“ beobachtbaren Thematisierung des im Nachleben kunstförmig verdauerten Heiligen, widmet sich der Beitrag exemplarisch drei Kreuzesholzmirakeln und den dort entfalteten Materialitätsbehauptungen. Die artifiziellen Fassungen erscheinen in den Mirakeln einerseits als Mittel einer adäquaten Sichtbarmachung ihres heiligen Gehalts und dessen behaupteter Wirksamkeit, andererseits generieren sie als künstliche Vehikel gleichfalls Spannungen im Hinblick auf ihre Abhängigkeit vom Heiligen.
Der Beitrag untersucht am Beispiel der Aventiuren 20–23 des „Nibelungenlieds“ das Zusammenspiel von höfischem Universalismus und Identitätspolitik. Es wird zum einen gezeigt, wie Identitäten gegeneinander ausgespielt und politisch funktionalisiert werden, zum anderen wie mittels einer transkulturell agierenden höfischen milte-Politik (Etzel-Hof) Identitäten in ein Höheres integriert werden können.
Anhand der Beschäftigung mit der Wundersäule in Wolframs „Parzival“ untersucht der Beitrag die Wirkung des ästhetischen Objekts auf die Konstitution des es umgebenen Raumes sowie die Interaktion zwischen Ding und Figur. Dabei wird der Raum auf zwei Ebenen verortet: sowohl im Hinblick auf das Geschehen – und damit als einen für die Figuren wahrnehmbaren Komplex auf der histoire-Ebene – als auch auf der Ebene der Poetik des Erzählens, auf der sich dieser in der diagrammatischen Figuration des Rezipienten überhaupt erst ausbreitet.
Während Wolframs von Eschenbach Willehalm-Figur mit Attributen der Heiligkeit umgeben wird, verunsichert die in der „Arabel“ Ulrichs von dem Türlin ausgearbeitete Vorgeschichte zum „Willehalm“ diese Perspektive. Hier – so argumentiert der vorliegende Beitrag – wird die Entführung Arabels/Kyburgs durch Willehalm als problematische Überführung heidnischer Elemente in den Raum der Christenheit erzählt, welche bewältigt werden müssen. Dies zeigt sich sowohl in der als ‚heidnisch‘ markierten körperlichen Schönheit Arabels/Kyburgs und der hiermit verknüpften, ethisch zweifelhaften Venus-Minne als auch in den prachtvollen Gegenständen höfischer Materialkultur, die Arabel/Kyburg mit sich führt und die beides symbolisch flankieren. Minne erweist sich dabei als ambivalente Kraft, die zum christlichen Glauben führen, zugleich aber das Seelenheil Vieler bedrohen kann.
Tagungsbericht
Ausgehend von der verbreiteten Zitation des „Fail better!“ aus Samuel Becketts „Worstward ho!“ führte MARGIT DAHM (KIEL) in ihrer Einleitung zur Tagung aus, dass das im gegenwärtig gesellschaftlichen Diskurs omnipräsente Phänomen des Scheiterns eine produktive Strategie in biographischen Selbsterzählungen darstelle, in denen das Scheitern oftmals als konstitutiver Bestandteil von oder notwendige Zäsur in Aufwärts- und Erfolgsbewegungen erzählt und somit zum Teil suspendiert werde.
Buchbesprechungen
Liste eingesandter Bücher
Lizenz: |
ESV-Lizenz |
ISSN: |
1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: |
1 / 2023 |
Veröffentlicht: |
2023-05-26 |
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