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Wege zur Vermeidung unbilliger Härten bei der Leistungsabsenkung nach § 31 SGB II

Beim Vollzug des SGB II rückt zunehmend die Problematik der Absenkung von Leistungen ins Blickfeld der Sozialgerichte. Die Möglichkeiten zur Absenkung von Alg II in § 31 SGB II und von Sozg nach § 32 SGB II sind im Wesentlichen § 25 BSHG nachgebildet. Systematisch lassen sich bei den einzelnen Kürzungstatbeständen des § 31 SGB II die Fallgruppen

– Verletzung der in § 2 SGB II geforderten Eigenverantwortung (§ 31 Abs. 1 SGB II),
– Meldeversäumnisse (§ 31 Abs. 2 SGB II),
– unwirtschaftliches Verhalten (§ 31 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 SGB II) sowie
– die arbeitsförderungsrechtlichen Sperrzeittatbestände (§ 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II)

unterscheiden. Für die Absenkung von Sozg entfallen naturgemäß die auf erwerbsfähige Hilfebedürftige zugeschnittenen Absenkungstatbestände und es bleibt bei der Verweisung auf § 31 Abs. 2, Abs. 4 Nrn. 1, 2 SGB II.

Auch wenn die verschiedenen Absenkungstatbestände dem verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit gerecht werden, bieten sie im Einzelnen Anlass zu vielfältigen Streitigkeiten: Welche Arbeiten und Maßnahmen sind zumutbar i. S. d. § 31 Abs. 1 Nrn. 1c, 2 SGB II? Welche Pflichten (oder Obliegenheiten? darf eine Eingliederungsvereinbarung enthalten? Meint Absicht i. S. d. § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II tatsächlich den – praktisch schwer nachweisbaren – dolus directus 1. Grades? Wann ist ein Verhalten unwirtschaftlich i. S. d. § 31 Abs. 4 Nr. 2 SGB II? Besondere praktische Bedeutung dürfte auch der in die meisten dieser Tatbestände implementierten weitere Voraussetzung der Rechtsfolgenbelehrung zukommen. Beweislastfragen wirft das Tatbestandsmerkmal „Fehlen eines wichtigen Grundes“ auf.

Auf Rechtsfolgenseite erweist sich § 31 SGB II als ausgesprochen vehement: Die bereits allein betrachtet erheblichen Kürzungen können bei wiederholter Pflichtverletzung kumuliert werden und auf andere Leistungsbestandteile als die Regelleistung (§ 20 SGB II) übergreifen. Eine weitere Verschärfung greift für Hilfebedürftige unter 25 Jahren, deren Leistungsanspruch in § 31 Abs. 5 SGB II schon auf erster Stufe auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung nebst ergänzenden Sachleistungen beschränkt wird.

Angesichts einer fehlenden Härteklausel und nur teilweise eingeräumten Ermessens wirft die Vorschrift nicht nur die Frage der Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlich fundierten Übermaßverbot auf, sondern stellt auch die Leistungsträger immer dann vor Probleme, wenn der strikte Vollzug der Vorschrift ein sinnvolles Fallmanagement konterkariert: Greift etwa eine Absenkung i. H. v. 30 % auch dann noch für volle drei Monate, wenn der Hilfebedürftige die angebotene Arbeitsgelegenheit oder Maßnahme zunächst ablehnt, sich dann nach kurzer Zeit eines Besseren besinnt und ein nachträglicher Einstieg unproblematisch möglich ist?

Seiten 206 - 212

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1864-8029.2006.04.05
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1864-8029
Ausgabe / Jahr: 4 / 2006
Veröffentlicht: 2006-04-01
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