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Stefanie Golisch, Ingeborg Bachmann zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 1997.

„Denn alles, was über Werke gesagt wird, ist schwächer als die Werke“ (IV, 182). Dieses Urteil Ingeborg Bachmanns, das sie nicht gegenüber ihren Rezensenten geäußert hat, sondern über ihre eigene Beurteilung der Werke anderer AutorInnen, macht es nicht leicht, über ihr Werk zu schreiben. Aber dieser Satz ist nicht nur ein Urteil, er verweist auch auf eine Differenz zwischen literarischem, feuilletonistischem und theoretischem Schreiben und darauf, daß im literarischen immer eine Vielfalt und Komplexität verborgen ist.

In dem Band „Ingeborg Bachmann zur Einführung“ wird ihr Werk chronologisch vorgestellt. Dabei soll die Projektion autobiographischen Wissens auf die literarischen Texte ebenso wie eine weitgehend „dogmatische“ (12) Rezeption vermieden werden. Ziel ist vielmehr, „eine möglichst vorurteilslose Annäherung an die Bachmannschen Texte zu ermöglichen“ (12). Im Hinblick auf das lyrische Werk steht zunächst der in der zweiten Hälfte der 50er Jahre vollzogene Genrewechsel von der Lyrik zur Prosa im Mittelpunkt der Darstellung. Die Antwort, die Stefanie Golisch auf diese gravierende Veränderung gibt, lautet: „Die Abkehr Bachmanns von der Lyrik erscheint [...] nicht zuletzt als bewußte Reaktion auf die wachsende Einsicht in die Selbstgenügsamkeit und Wirkungslosigkeit lyrischen Sprechens.“ (38) Diese Antwort läßt die zeitgeschichtlich bedeutende Diskussion über Adornos Imperativ „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frißt auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben“ außer acht. Eine Auslassung, die insofern bemerkenswert ist, als an anderer Stelle auf Adornos Provokation eingegangen wird, in dem Sinne, daß die Gedichte Celans und Bachmanns eine Antwort auf Adorno darstellen (46). Ein solches Verständnis glättet allerdings vorschnell die Schärfe, die in der Kontroverse lag und verkennt den Konflikt, den der Genrewechsel für Ingeborg Bachmann bedeutet hat.

Seiten 311 - 314

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.1998.02.17
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-7806
Ausgabe / Jahr: 2 / 1998
Veröffentlicht: 1998-07-01
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Dokument Stefanie Golisch, Ingeborg Bachmann zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 1997.