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Schutz der Auszubildenden als Mitglied der Personalvertretung

Art. 9, Art. 47 BayPVG.
§ 626 Abs. 1 BGB.
§ 15 Abs. 2 KschG.
§ 7 Abs. 1, § 10 Satz 3 AGG.
Art. 7 RL 2002/14/EG.

1. Die Nichterfüllung der Mitteilungspflicht nach Art. 9 Abs. 1 BayPVG hat keinen Einfluss auf das Recht des Arbeitgebers zur gerichtlichen Antragstellung nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayPVG, weil Art. 9 Abs. 5 BayPVG bestimmt, dass die Absätze 2 bis 4 des Art. 9 BayPVG unabhängig davon anzuwenden sind, ob der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nach Art. 9 Abs. 1 BayPVG nachgekommen ist (im Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 1.12.2003 – 6 P 11.03 – BVerwGE 119, 270 Rn. 39 zum inhaltsgleichen § 9 Abs. 5 BPersVG a. F.).
2. Nach einfachem nationalem Recht ist allein Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayPVG Maßstab für die materiellpersonalvertretungsrechtliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen Auflösungsantrag im Sinne dieser Vorschrift und es kommt für dessen Beurteilung weder unmittelbar noch entsprechend auf § 626 Abs. 1 BGB, Art. 47 BayPVG oder § 15 KSchG an, und zwar auch dann nicht, wenn nach der kraft Art. 9 Abs. 2 BayPVG erfolgten Begründung eines gesetzlichen Arbeitsverhältnisses ein ehemaliger Jugend- und Auszubildendenvertreter zum Mitglied einer Personalvertretung gewählt wird.
3. Der aufgrund Art. 7 RL 2002/14/EG unionsrechtlich geforderte Mindestschutz für Arbeitnehmervertreter ist für Mitglieder einer Jugend- und Auszubildendenvertretung durch Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayPVG über das Kriterium der „Zumutbarkeit“ der Weiterbeschäftigung gewährleistet, das vor einer Auflösung des nach Art. 9 Abs. 2 BayPVG gesetzlich begründeten Arbeitsverhältnisses allein wegen der Amtstätigkeit schützt (im Anschluss an BAG, Urt. v. 20.3.2019 – 7 AZR 98/17 – juris Rn. 53; Urt. v. 20.6.2018 – 7 AZR 690/16 – NZA 2019, 324 Rn. 48).
4. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 BayPVG ist im Ausgangspunkt der Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses maßgebend. Dem Arbeitgeber kann es aber im Einzelfall zumutbar sein, den Jugendvertreter auf Dauer in einem Arbeitsverhältnis zu beschäftigen, weil er einen kurz vor der Beendigung der Berufsausbildung freigewordenen Arbeitsplatz wiederbesetzt hat, statt ihn für einen nach Art. 9 BayPVG geschützten Auszubildenden freizuhalten. Das gilt regelmäßig bei einer Besetzung, die innerhalb von drei Monaten vor dem vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses vorgenommen wird, wenn der Auszubildende während dieses Zeitraums Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist (im Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 1.11.2005 – 6 P 3.05 – BVerwGE 124, 292 Rn. 37 m. w. N. = PersV 2006, 150; Beschl. v. 9.3.2017 – 5 P 5.15 – PersV 2017, 298 Rn. 18).
5. Für die Ebene der Stellenausschreibung gilt, dass der Art. 9 BayPVG prägende Gedanke des Diskriminierungsschutzes nicht berührt ist, wenn die Hochschule bei der Verwendung der ihr zugewiesenen personellen Mittel im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben frei darüber entscheidet, wie sie die ihr übertragenen öffentlichen Aufgaben am besten erfüllt. Auf dieser Ebene der Entscheidungsfindung beschränkt sich die Wirkung von Art. 9 BayPVG auf eine Missbrauchskontrolle: Die Weiterbeschäftigung ist ausnahmsweise dann zumutbar, wenn die Entscheidung über die Zweckbestimmung der Mittelverwendung erkennbar das Ziel verfolgte, die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zu verhindern (im Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 1.11.2005 – 6 P 3.05 – BVerwGE 124, 292 Rn. 32 m. w. N. = PersV 2006, 150; Beschl. v. 11.3.2008 – 6 PB 16.07 – NZA-RR 2008, 445 Rn. 9; Beschl. v. 26.5.2009 – 6 PB 4.09 – ZTR 2009, 447 Rn. 15 = PersV 2010, 109 Ls.; Beschl. v. 12.10.2009 – 6 PB 28.09 – NZA- RR 2010, 111 Rn. 4 m. w. N. = PersV 2010, 235).
6. Auf der Ebene der Stellenbesetzung kommt der in Art. 9 BayPVG normierte qualifizierte Diskriminierungsschutz zum Tragen, welcher – über Art. 8 BayPVG hinaus – selbst dann eintritt, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Arbeitgeber den Betroffenen nicht wegen seiner Tätigkeit für die Jugend- und Auszubildendenvertretung benachteiligt hat. Die Stelle ist vorrangig mit dem Jugendvertreter zu besetzen, es sei denn, die Weiterbeschäftigung ist aus gewichtigen Gründen ausnahmsweise unzumutbar, etwa weil Mitbewerber objektiv wesentlich fähiger und geeigneter sind (im Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 1.11.2005 – 6 P 3.05 – BVerwGE 124, 292 Rn. 33 m. w. N. = PersV 2006, 150).

BayVGH, Beschl. v. 15.11.2022 – 17 P 22.21 –

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-7857.2023.06.09
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-7857
Ausgabe / Jahr: 6 / 2023
Veröffentlicht: 2023-05-25
Dokument Schutz der Auszubildenden als Mitglied der Personalvertretung