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Prosodie, Syntax und Diskursfunktion von V>2 in gesprochenem Deutsch

Deutsch ist eine V2-Sprache, bis auf einige bekannte Ausnahmen, die zu oberflächlicher Verbspäterstellung (V>2) führen, die aber mit der zugrunde liegenden V2-Eigenschaft als kompatibel betrachtet werden. In der neueren Literatur werden jedoch auch V>2-Abfolgen besprochen, die sich nicht ohne Weiteres mit einer V2-Syntax vereinbaren lassen, wie z. B. die Voranstellung ‚zentraler‘ Adverbialbestimmungen ohne die normalerweise notwendige Inversion von Subjekt und Finitum. Solche Adv–S–Vfin-Abfolgen wurden zuerst für multiethnische urbane Varietäten (Kiezdeutsch) beschrieben, wurden seitdem jedoch auch in der gesprochenen Interaktion monolingualer Sprecher des Deutschen beobachtet. Der vorliegende Artikel wendet sich nun erstmals der Prosodie attestierter Sprachdaten in intendiertem Standarddeutsch zu und zeigt, dass die Abwesenheit von Inversion, gemeinsam mit einer Weiterführung signalisierenden Prosodie, als Mittel eingesetzt wird, um die Realisierung der Diskursfunktion der initialen Adjunkte zu unterstützen. Die vorangestellte Adverbialbestimmung dient als Anker für die folgende Aussage, die mit einer im Diskurs vorhandenen Aussage kontrastiert oder diese ergänzt, während die prosodische Kodierung die Intention signalisiert, den Redezug fortzusetzen.

German is a V2 language, apart from a small number of exceptions which lead to superficial later positioning of the finite verb (V>2), which are regarded as compatible with the underlying V2-property. However, the more recent literature has identified a number of V>2 cases which are not easily reconcilable with a V2-syntax, such as V2-clauses preceded by a ‘central’ adverbial without inversion. Such Adv–S–Vfin cases were first described for multi-ethnolectal urban varieties (Kiezdeutsch), but they have since also been observed in the spoken interaction of monolingual German speakers. The present article is the first to investigate the prosody of these patterns in attested speech data, where the intention was to use Standard German. The study shows that the lack of inversion, together with a continuative prosody, is used to support the realisation of the discourse function of the initial adjuncts. The left-peripheral adverbial serves to anchor the following proposition and either contrast it with another proposition available in the discourse or add to it. The prosodic encoding serves as a floor-holding device signalling the intention of the speaker to keep their turn.

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-775X.2022.01.02
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-775X
Ausgabe / Jahr: 1 / 2022
Veröffentlicht: 2022-02-24
Dokument Prosodie, Syntax und Diskursfunktion von V>2 in gesprochenem Deutsch