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Ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer – quo vadis?

1990 hat Döllerer folgenden Satz geschrieben: „Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer entnimmt die Richtlinien für sein Handeln dem Gesetz und den Grundsätzen einer ordentlichen Unternehmensführung“. Dies hat Wolf Müller u. a. zu der Bemerkung veranlasst: „Wenn es die nur gäbe“. Gleichwohl hat er die Institution des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters für unverzichtbar gehalten, da auch das Zivilrecht auf diese Figur abstelle.

Im Hinblick auf ein BFH-Urteil vom 6.12.1995 und die Anmerkung dazu von Pezzer hatte Becker die Frage aufgeworfen, ob das Grab des ordentlichen Geschäftsführers schon geschaufelt sei, doch hatte er u.a. zusammengefasst, dass sich der ordentliche Geschäftsleiter bester Gesundheit erfreue und seine Beerdigung nicht bevorstehe. Diese Aussage stimmt insofern, als – soweit es übersehen werden kann – der I. Senat des BFH sich mit dem ordentlichen und gewissen Geschäftsleiter in letzter Zeit in mehreren Entscheidungen befasst hat.

So hat er am Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters beurteilt, ob eine Kapitalgesellschaft eine sich ihr bietende Geschäftschance auch wahrgenommen hätte. Dann hat er die Meinung vertreten, dass er für die Beurteilung des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters speziell in Bezug auf Pensionszusagen eine Reihe von Kriterien entwickelt hätte. Diese seien nicht i. S. von Tatbestandsmerkmalen zu verstehen, die unabdingbar vorhanden sein oder fehlen müssten, damit die konkret zu beurteilende Pensionszusage dem Gesellschaftsverhältnis zugeordnet werden könnte oder nicht. Sie hätten vielmehr nur indizielle Bedeutung.

Unter der Prämisse eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters hat er schließlich in Wertpapier-Riskogeschäften einer GmbH keine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen. Sprachlich sagt das Wort ordentlich eigentlich nur aus, dass jemand auf Ordnung hält, ordnungsliebend ist, oder auch rechtschaffend ist. Ist ein Mensch gewissenhaft, dann geht er mit großer Genauigkeit und Sorgfalt vor. Diese sprachlichen Begriffe sind aber zu ungenau, als dass sie – auch wenn es im jeweiligen Einzelfall geschieht – so ausgefüllt werden, dass sie bewirken, dass durch den zu beurteilenden Vorgang der Gewinn nicht abgesaugt oder manipuliert wird.

Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der I. Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zugewandt hatte, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Diese klare Aussage rückt den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter in die Nähe eines Tatbestandsmerkmals. Andererseits sieht der I. Senat in dem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter lediglich eine Denkfigur, spricht von dem (hypothetischen) Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters oder er verbindet den entsprechenden Maßstab mit dem an sich gebotenen Fremdvergleich.

Nachdem die Einzelfälle zum größten Teil unter den Vorgaben des „Maßstabs des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ entschieden wurden, bietet es sich an, diesen Begriff auf seine Qualifikation näher zu untersuchen.

Seiten 114 - 117

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-789X.2005.04.04
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-789X
Ausgabe / Jahr: 4 / 2005
Veröffentlicht: 2005-04-01
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Dokument Ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer – quo vadis?