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Michael Bernsen: Geschichten und Geschichte. Alessandro Manzonis «I promessi sposi». Berlin: Lit Verlag 2015 (Literatur, Forschung und Wissenschaft, 32).

Mit seiner Untersuchung zu Alessandro Manzonis Roman I promessi sposi setzt sich der Bonner Komparatist Michael Bernsen das Ziel, Studierenden und Dozenten einen neuen Zugang zu diesem Klassiker der italienischen Literatur zu verschaffen. Er sieht die Originalität des Werks in der “konsequenten Reflexion der erzählerischen Strukturen”, wobei der Autor die Absicht verfolge, die Aufmerksamkeit des Lesers auf die narrativen Verfahren selbst zu lenken. Bernsen geht von der Annahme aus, die Leiterzählung sei mit einer Fülle von Geschichten durchsetzt, die vom Erzähler laufend problematisiert und umgestaltet würden. In einigen Episoden des Romans greife dieser auf tradierte Erzählformen des Mittelalters (Mirakel, Heiligenlegende, fabliau, Exemplum) zurück, deren Funktion sich im Roman jedoch grundsätzlich wandle, andernorts würden aber auch Erzählmuster aus der frühen Neuzeit (Novelle, Bandellos histoire tragique, Pikareske, Porträt) und aus dem 18. Jahrhundert (Klosterroman, gothic novel) übernommen und verarbeitet. In diesem aufgeklärten Spiel mit den Erzählformen, das den Roman nicht nur bereichere, sondern ihm überhaupt erst den Status des modernen Kunstwerks verleihe, vermutet Bernsen das zentrale Anliegen Manzonis. Das reflektierende Vorgehen des Erzählers zeige sich, so führt er aus, sowohl in den fiktiven Passagen des Romans als auch in den historisch verbürgten Kapiteln, in denen zum Beispiel von den Mailänder Brotunruhen von 1628 und von der Ausbreitung der Pest die Rede ist. Denn auch beim Gestalten von historischen Berichten hinterfrage Manzoni den Wahrheitsgehalt der Chroniken, analysiere die Verkettung von Ursache und Wirkung, erforsche die Beweggründe menschlichen Handelns und schreibe so die Geschichte neu. Anders als Goethe, der beim Lesen der Promessi Sposi den Eindruck gewann, “der Historiker habe dem Poeten einen bösen Streich gespielt”, sieht Bernsen keinen grundlegenden Bruch zwischen der fiktiven Leiterzählung und der Historie.

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2016.02.37
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1866-5381
Ausgabe / Jahr: 2 / 2016
Veröffentlicht: 2016-12-13
Dokument Michael Bernsen:  Geschichten und Geschichte. Alessandro Manzonis «I promessi sposi» . Berlin: Lit Verlag 2015 (Literatur, Forschung und Wissenschaft, 32).