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Krankenversicherung: Genehmigungsfiktion / Gutgläubigkeit / Verwaltungsaktqualität

§§ 2, 12, 13, 27 SGB V

1. Eine fingierte Leistungsgenehmigung im Sinne des SGB V begründet keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch, sondern vermittelt den Versicherten nur eine Rechtsposition, die es ihnen erlaubt, sich die Leistung selbst zu beschaffen, und es der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung verbietet, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe kein Anspruch auf die Leistung (Aufgabe der stRspr. seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 33).

2. Das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht des Versicherten zur Selbstbeschaffung auf Kosten der Krankenkasse besteht auch bei materieller Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung, sofern der Versicherte im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs hat („Gutgläubigkeit“; Fortentwicklung der stRspr. seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 33).

3. Grob fahrlässig handeln Versicherte, die sich trotz der ihnen vermittelten erdrückenden Sach- und Rechtslage der Erkenntnis verschließen, dass sie auf die selbstbeschaffte Leistung offensichtlich keinen Anspruch haben, obwohl sie nach ihren persönlichen Fähigkeiten zu dieser Erkenntnis in der Lage wären.

4. Die nach Fristablauf fingierte Genehmigung eines Antrags auf Leistungen hat nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes und beendet nicht das durch den Antrag in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren, sodass die Krankenkasse weiterhin berechtigt und verpflichtet ist, über den gestellten Antrag zu entscheiden und damit das laufende Verwaltungsverfahren abzuschließen (Aufgabe der stRspr. seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 33).

5. Ist über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bindend entschieden oder hat sich der Antrag anderweitig erledigt, endet das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht der Versicherten auf Selbstbeschaffung der beantragten Leistung auf Kosten der Krankenkasse.

Urteil des 1. Senats des BSG vom 26.5.2020 – B 1 KR 9/18 R – ECLI:DE:BSG:2020:260520UB1KR918R0 – Anmerkung von Prof. Dr. Torsten Schaumberg, Nordhausen

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1864-8029.2021.03.08
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1864-8029
Ausgabe / Jahr: 3 / 2021
Veröffentlicht: 2021-03-04
Dokument Krankenversicherung: Genehmigungsfiktion / Gutgläubigkeit / Verwaltungsaktqualität