Josef P. Mautner: Nichts Endgültiges. Literatur und Religion in der späten Moderne

Dass Gott ein ‘schlechtes Stilprinzip’ sei, ist spätestens seit Benn die weit verbreitete Meinung über die von ihrer Glaubenskrise ausgelöste Religiosität der literarischen Moderne. Zwar wird in zahlreichen Studien zur letzten Jahrhundertwende die intensive Auseinandersetzung mit Religion als wichtiger Bestandteil der Moderne anerkannt, ihre Bedeutsamkeit für die ästhetischen Fragen dieser Zeit ist aber weitgehend außer Acht gelassen worden. Sprich: als Schriftsteller kann man scheinbar nicht zugleich religiös und modern sein. In der vorliegenden Studie von Josef Mautner zu Literatur und Religion in der späten Moderne wird diese kritische Einstellung aber in Frage gestellt, denn, so Mautner: “lesbar werden die religiösen Semantiken literarischer Texte erst, wenn man ihre ästhetischen Grundlagen mit reflektiert” (S.8). Die wichtigsten stilistischen Merkmale der literarischen Moderne – Ambivalenz, Identitätsskepsis, “Verflüssigung des Ich” – dienen hier als Ausgangspunkt für eine Re-lektüre religiöser Themen in Werken fünf wichtiger Vertreter der späten Moderne, nämlich Franz Kafka, Berthold Brecht, Thomas Bernhard, Christa Wolf und George Tabori. Mautner weist selbst darauf hin, dass sich diese Studie von vorhandenen Studien unterscheidet, indem sie vom üblichen biografischen Ansatz abweicht. In diesen Arbeiten, so Mautner, würden demzufolge religiöse Themen in den Werken als analog zu der tatsächlichen Glaubensgeschichte eines Schriftstellers / einer Schriftstellerin gelesen. Mautner vermeidet weiterhin einen anderen verbreiteten Forschungsansatz, nämlich eine Interpretation von Texten mit Hilfe außerliterarischer, hier: theologischer Kategorien. Die spezifisch literarische Form religiöser Äußerungen wird von Mautner in den Vordergrund gerückt. In dieser Hinsicht leistet Mautners Studie einen neuen bedeutenden Beitrag zur Forschung zur literarischen Moder ne und insbesondere zu deren Beziehung zur Religion.

Seiten 161 - 163