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Hans-Otto Hügel: Lob des Mainstreams. Zu Begriff und Geschichte von Unterhaltung und populärer Kultur

Seit Jahren widmet sich Hans-Otto Hügel (Universität Hildesheim) der Etablierung einer kulturwissenschaftlichen Disziplin “Populäre Kultur”, die er im Gegensatz zu den meisten soziologischen, empirischen oder psychologischen Annäherungen konsequent zu historisieren versucht. Populäre Kultur ist für Hügel nichts Volkstümliches, sondern gebunden an massenhafte Rezeption und bildet sich daher erst im Laufe des 19. Jahrhunderts heraus. Die neue Rezeptionssituation bringe laut Hügel auch eine neue Rezeptionsform mit sich, die er als “Unterhaltung” bezeichnet. Problematisch ist daran natürlich, dass “Unterhaltung” auch als alltagssprachlicher Passepartout-Begriff verwendet wird, den Hügel nun als Fachterminus für eine bestimmte Rezeptionsform spezifizieren muss. Unterhaltung – so lautet Hügels zentrale These – sei Vergnügen durch ästhetische Zweideutigkeit. Wenn ein Zauberer in einem Zirkus wirklich zaubern könnte, bräche Panik aus, wenn der Zuschauer andererseits aber die Tricks durchschauen würde, wäre es langweilig: “Unterhaltung verlangt, dass alles Dargebotene ganz echt und zugleich unecht ist. In dem Moment, in dem der Zuschauer sich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden muss, kippt die Unterhaltung entweder in Zerstreuung, oder sie schlägt in Ernst um. Unterhaltung will (fast) ernstgenommen und (fast) bedeutungslos zugleich sein. […] Dieses Verharren der Unterhaltung in der Schwebe von Ernst und Unernst möchte ich als Zweideutigkeit fassen. Ästhetisch wird diese Zweideutigkeit genannt, weil es bei der Unterhaltung nicht nur auf sinnliche Wahrnehmung ankommt, sondern weil die Wahrnehmung durch Formensprache strukturiert ist.”

Auf dieser Grundlage kann Hügel die Unterschiede zwischen Unterhaltung und Kunst als Rezeptionsmodus definieren. Während Kunst nach Teilnahme und Konzentration verlange, könne der Rezipient bei Unterhaltung einen Aspekt seiner Wahl herausgreifen, ohne befürchten zu müssen, etwas falsch zu verstehen. Damit wäre Unterhaltung weder Zerstreuung (nach Benjamin) noch Kunst: “Während Kunst ihrem Anspruch nach Unbedingtheit fordert, keine Beliebigkeit in der Wahrnehmung und im Interesse erlaubt und daher den Rezipienten Anstrengung abverlangt, ja ihnen opponiert, erlaubt die Unterhaltungsrezeption (fast) jedes Maß an Konzentration und Interesse.”

Seiten 420 - 421

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2008.02.18
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1866-5381
Ausgabe / Jahr: 2 / 2008
Veröffentlicht: 2008-12-15
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Dokument Hans-Otto Hügel: Lob des Mainstreams. Zu Begriff und Geschichte von Unterhaltung und populärer Kultur