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Ernst Jünger und der Mythos des “Neuen Menschen”. Eine Analyse des Frühwerks

Als Erklärungsweise der Welt und der Geschehnisse, die der Mensch auf rationale Weise nicht erklären konnte, war der Mythos immer mit dem Übernatürlichen verbunden. Antike Mythen beinhalten entweder einen schöpferischen oder einen destruktiven Charakter. Christian Krockow betont vor allem die schöpferischen Züge der alten Mythen: “Sie erzählen vom Ursprung, von der Erschaffung der Welt und des Menschen, vom Wal ten der Götter und manchmal vom Untergang”. Mircea Iliade hebt auf der anderen Seite ihren destruktiven Inhalt hervor: “Neben diluvialen Mythen gibt es auch andere, die von der Zerstörung der Menschheit durch Kataklysmen kosmischer Dimension sprechen: Erdbeben, Brände, Bergrutsche, Epidemien usw.”. Obwohl der traditionelle Begriff des Mythos hauptsächlich in Bezug auf die jüdisch-christliche Kultur und die griechisch-römische Zivilisation benutzt wurde und einen religiösen Hintergrund hatte, kann der Mythos heute in Verbindung mit den unterschiedlichsten menschlichen Handlungen erscheinen und sich durch verschiedene Weisen in vielen Bereichen offenbaren. In Meyers Lexikon wird der Begriff “Mythos” ebenfalls in zwei unterschiedlichen Definitionen erläutert, wobei sich die erste auf altertümliche und die zweite auf gegenwärtige Mythen bezieht: “1- Erzählung (Sage) über Götter, Heroen und Ereignisse aus vorgeschichtlicher Zeit und die sich darin ausdrückende Weltdeutung. 2- Das Resultat einer sich auch noch in der Gegenwart vollziehenden Verklärung von Personen, Gegenständen (z. B. Kunstwerken), Ereignissen oder Ideen.” In der vorliegenden Studie benutzen wir die zweite Definition des Begriffs, d.h. Mythos als zielbewusste politische Verklärung von Ereignissen und Ideen. Als Ausgangspunkt dieser Auffassung übernehmen wir die folgende Äußerung von Krockows: “Zur modernen Geschichte gehört eine unheimliche Erscheinung: der Mythos, der als politisches Kampfmittel gebraucht wird” (von Krockow [Anm. 1], S. 8). Die meisten Mythen des Ersten Weltkriegs sind gute Vorbilder der politischen Manipulation. Keil und Kellerhoff verbinden die Mythen vom “Dolch stoß” und “Im Felde unbesiegt” mit der militärischen Niederlage, von Krockow er wähnt die Mythen von Tannenberg und Langemarck (ebd., S. 17–28), und Hüppauf nennt die Schlachten vom Verdun und Somme als “Grundlagen eines neuen Mythos”, die Geburt des “Neuen Menschen”, den der Autor “eng mit einer Faszination durch das Zeit alter moderner Technologie verbunden” findet. Von den als Beispiel angeführten Mythen war es der Mythos des “Neuen Menschen”, der die tiefsten und verheerendsten Folgen haben sollte, da er ohne weiteres von der faschistischen Ideologie übernommen werden konnte.

Seiten 107 - 114

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2011.01.07
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1866-5381
Ausgabe / Jahr: 1 / 2011
Veröffentlicht: 2011-06-30
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Dokument Ernst Jünger und der Mythos des “Neuen Menschen”. Eine Analyse des Frühwerks