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Die Forschung zu Heinrich Wittenwilers Ring seit 1988

“Wittenwilers ‘Ring’ gehört – vor allem dank der Arbeiten Edmund Wießners – zu den am besten erschlossenen literarischen Werken des deutschen Spätmittelalters. Gleichwohl sind auch heute noch nicht alle philologischen Probleme gelöst, die der Text aufgibt.” Diese Feststellung H. Brunners aus dem Jahr 1992 (Brunner, 1992, S. 625) gilt trotz der in den letzten Jahrzehnten nochmals verstärkten Bemühungen der Forschung nach wie vor: wobei, so wäre zu ergänzen, nicht nur viele philologische Probleme nicht gelöst, sondern auch grundsätzliche Fragen der Interpretation umstrittener sind denn je. Als Ortrun Riha 1990 ihren Forschungsbericht zu Heinrich Wittenwilers ‘Ring’ vorlegte, konnte sie bis zu ihrer Berichtsgrenze 1988 insgesamt 113 Monographien, Aufsätze und Lexikonartikel verzeichnen, die sich in der Hauptsache oder doch in wesentlichen Teilen mit Wittenwiler und seinem Werk beschäftigten. Tatsächlich war es nach der Erstedition des ‘Ring’ durch Ludwig Bechstein (1851) mehr als fünfzig Jahre später vor allem Edmund Wießner, der nicht nur die bis heute maßgebliche Edition (1931) mit Kommentarband (1936) veröffentlichte, sondern mit acht Publikationen von 1908 bis 1937 auch den Großteil der Forschungsbeiträge der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beisteuerte. Ein deutlicher Anstieg der wissenschaftlichen Produktion zum ‘Ring’ ist ab 1950, dann nochmals verstärkt ab 1970 festzustellen; mit 62 Arbeiten fällt fast die Hälfte aller Arbeiten zu Wittenwiler bis 1988 auf die siebziger und achtziger Jahre.

Dieses ab 1970 signifikant gesteigerte wissenschaftliche Interesse dem ‘Ring’ gegenüber ist natürlich auf der einen Seite im Zusammenhang mit der verstärkten Beachtung der spätmittelalterlichen Literatur überhaupt zu sehen; es verdankt sich aber auch der sozialgeschichtlichen Orientierung der Germanistik nach 1968, für die der ‘Ring’ gleichsam den Präzedenzfall liefern konnte: nach der Identifizierung des Autors mit dem juristischen Beamten am Konstanzer Bischofshof um 1400 galt und gilt der ‘Ring’ als literarische Verarbeitung eines “krisenhafte[n] Zeitgefühl[s] im Bodenseeraum” (Hernad u. Montag, 2003, S. 76), das besonders durch die Zunftaufstände in Konstanz und durch die Bedrohung durch die Eidgenossen entstanden sei. Als Kronzeuge dieser sozialgeschichtlichen Interpretation kann Eckhart Conrad Lutz gelten, der nicht nur in mehreren Aufsätzen (1976, 1984, 1985), sondern besonders in seiner 1988 vorgelegten (gedr. 1990) Habilitationsschrift den ‘Ring’ als allegorische Erklärung einer “komplizierten historischen Gesamtsituation” verstanden wissen wollte (vgl. unten VI.).

Seiten 350 - 390

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2008.02.09
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1866-5381
Ausgabe / Jahr: 2 / 2008
Veröffentlicht: 2008-12-15
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